Grenzsteintropy 2016

Das Fertigstellen des Berichts zur GST 2016 hat sich ähnlich lang gezogen, wie die Etappen nach dem Brocken. Bei dem guten Wetter habe meine freie Zeit lieber auf dem Rad, als vor dem PC verbracht. Wenn ich dann noch bei Facebook und Co zur GST 2016 Sachen wie „großes Schweigen“ gelesen habe, hat das auch nicht gerade zur Motivation beigetragen. Ist ja nicht so, dass man die Jahre zuvor mit Berichten überhäuft wurde. Aber irgendwann ist er dann doch fertig geworden…

Tag 0

Anreise wie letztes Jahr: EC Köln -> Stuttgart, IC Stuttgart -> Nürnberg, RE Nürnberg – Hof, Hof -> Kleintierschänke mit dem Rad. In Nürnberg traf ich auf zwei weitere Mitfahrer, so dass wir die ca. 18 km mit dem Fahrrad gemeinsam zurücklegen konnten. An der Kleintierschänke angekommen, bot sich ein recht mageres Bild, was die bisher anwesenden Mitfahrer anging. Etwa eine Handvoll hatte sich bisher eingefunden. Im Laufe des Abends stieg die Zahl der Mitfahrer auf ca. 20 Mann, die Kleintierschänken-Crew hatte aber für deutlich mehr geplant. Gunnar schreibt in seiner Zusammenfassung von 27 fürs BBQ angemeldeten Fahrern. (Dort steht auch, dass nur 14 gestartet sind. Ich habe den Freitag morgen nicht nach gezählt, aber ich würde sagen, dass wir mehr als 14 waren.)

 

Tag 1

Auf den Wetterbericht war verlass, Dauerregen war angekündigt, und es gab Dauerregen. Im Prinzip kam das Wasser von allen Seiten, oben, unten, vorne, hinten, links und rechts… Vor dem Start hielt Frank noch eine kurze Ansprache, seine Notizen hatte der Regen vermutlich schon verwaschen, viel mehr als ein Satz war es nicht, aber wozu auch, bei dem Wetter wollte ich eigentlich nur los.
Schnell war ich so nass, dass mir der Regen egal war, kalt war es nicht, und so war der Regen eher unterhaltsam. Mal schüttete es richtig extrem, mal stand das Wasser auf der Lochplatte zentimeterhoch, oder es floss einem wie ein kleiner Bach entgegen und manchmal konnte man mit der Strömung fahren.
Nachmittags gab es ein paar trockene Phasen, und sogar ein paar Sonnenstrahlen. Z.B. an der Hütte, an der es in einer Höhle Wasser und Bier gibt. Dort kam ich zusammen mit Frank und zwei weiteren Mitfahrern an, wir gönnten uns jeder ein Bier und etwas Sonne, bis wir wegen weiterem Regen in die Hütte gingen. Mit Marco und Stefan kamen zwei weitere Mitfahrer an der Hütte an, wir besprachen kurz die Übernachtungspläne, ich war mir mit Marco und Stefan einig, dass eine Pension o.ä. schon nicht schlecht wäre. Währenddessen schraubte Frank an seinen Bremsen herum, wegen des Regens unter dem Vordach der Hütte. Das Unglück war schnell passiert, eine Schraube fiel runter, durch einen Spalt der Holzbohlen und war weg. Die ersten Versuche an die Schraube zu kommen scheiterten kläglich, es wurden schon die Fahrräder gecheckt, ob eine passende Schraube irgendwo überflüssig war, und Ersatzteiltüten durchsucht. Bei einem genaueren Blick auf eine Holzbohle kam die Lösung: 2 x Kreuzschlitz, 1 x Torx, das geht. Kurzerhand wurden 3 Holzschrauben gelöst, eine Bohle entfernt, und aus den Untiefen einer Lochplatte (als Fundament für eine Hütte können sie auch dienen) die verschollene Schraube gefischt. Wir hatten unseren Spaß, nach ein paar weiteren Handgriffen war die Bohle wieder fest. Die Pause dauerte natürlich viel zu lange, aber was soll’s.

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Hier mal mit der Strömung unterwegs

Ich erinnerte mich noch an einen Ort am Rennsteig, der nicht mehr so weit entfernt sein konnte. Am Rennsteig gibt’s immer Übernachtungsmöglichkeiten. In Grumbach angekommen in ein Gasthaus rein, alles belegt, „morgen ist Rennsteiglauf“ (es war der Rennsteigstaffellauf). Der Mann im Gasthaus fing an herumzutelefonieren und fragte in Nachbarorten, ob es noch etwas Freies gab, keine Chance. Marco und Stefan waren mittlerweile auch dazu gekommen. Nachdem das Herumtelefonieren erfolglos war, fuhren wir ein paar Meter zurück in eine Pizzeria. Dort saß schon Mitfahrer Thoralf, hinter der Theke wurde fleißig telefoniert, um ihm einen Schlafplatz zu organisieren. Er hatte Glück, im Nachbarort Brennersgrün war noch etwas frei. Ein paar Minuten später das OK für uns, wir können dort auch Übernachten, wir müssten uns nur „ein Zimmer teilen“. Wir aßen noch etwas und fuhren weiter nach Brennersgrün. Das Zimmer stellte sich als Ferienwohnung heraus, und es war genügend Platz für uns vier.

88,78 km und 1927 hm

Tag 2

Der zweite Tag verlief recht unspektakulär. Wir (Marco, Stefan, Thoralf und ich) beschlossen, erstmal zusammen weiter zu fahren. Zum Geld holen und einkaufen machten wir einen Abstecher nach Ludwigsstadt. Dort angekommen fing es gleich an zu regnen, so dass wir in einem Döner-Laden eine längere Mittagspause einlegten. Am Nachmittag verlief der Track kaum auf der Lochplatte, so dass es sich sehr angenehm fahren liess. Am späten Nachmittag erreichten wir Judenbach, Stefan erkundigte sich bei ein paar Einheimischen, wegen eines Restaurants o.ä. Uns wurde das Kulturzentrum (und Restaurant „Zum Forsthaus“) empfohlen. Als wir den Gastraum betraten, hörten wir vom Chef gleich so etwas wie: „Ihr müsst mir gar nichts über eure Tour erzählen, ich weiß alles. Eben war schon mal einer von euch da.“

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Blick ins Tal auf Burg Lauenstein

Beim Essen besprachen wir unsere Übernachtungspläne, eigentlich wollten wir noch weiter fahren, und irgendwo zelten. Ein eher spaßig gemeintes „hier vorne ist ja auch eine schöne, große Wiese zum Zelten“ bekam natürlich auch der Wirt mit. Seine Reaktion: „Kein Problem, ich lass euch die Tür auf, dann könnt ihr die Toilette benutzen.“ Marco wollte gerne noch weiter fahren. Etwas später bot der Wirt uns den Wintergarten zum Übernachten an, Isomatten vom Yogakurs inklusive, da war Marco schnell umgestimmt. Wer kann da nein sagen? Die Etappe endete dadurch eigentlich viel zu früh. Später holte der Wirt für uns noch ein paar Getränke von sich zu Hause, und eh wir uns versahen, waren wir allein im Restaurant. (Abgesehen von der Hochzeitsgesellschaft in dem benachbarten Gebäudeteil.)

60,41 km und 1500 hm

Tag 3

Mein Schlaf war recht unruhig, und ich wurde mit Halsschmerzen wach. Ausgerechnet jetzt krank werden? Gegen 7:30 Uhr starteten wir, auch die heutige Etappe war recht angenehm zu fahren. Nicht viel Lochplatte, und sehr wenige steile Rampen, so dass wir relativ gut voran kamen. Es gab den ein oder anderen technischen Stopp, um Bremsbeläge zu wechseln, aber sonst lief es ganz gut. Ich fühlte mich allerdings ziemlich bescheiden. Mittagspause gab es bei McDonalds bei Neustadt bei Coburg, ein ziemlicher Kontrast zur bisherigen Tour. Unglaublich, was an einem Sonntag mittag bei McDonalds los ist. Am Nachmittag erreichten wir den Autohof bei Eisfeld. Da ich ziemlich fertig war, und wir schon eine ganz annehmliche Kilometerzahl auf dem Tacho hatten, beschloss ich, im benachbarten Waldhotel einzuckecken. Eine Erkältung konnte ich nun gar nicht gebrauchen, da waren ein paar Stunden mehr Pause sicherlich nicht schlecht. Leider musste ich mich nach nur 1 1/2 Tagen von Marco, Stefan und Thoralf trennen, das hat echt ein riesen Spaß gemacht in der Gruppe. Auch wenn man gemerkt hat, dass man allein oder zu zweit besser voran kommt, was Pausen, technische Probleme o.ä. angeht. So hat es wesentlich mehr Spaß gemacht.

Am Hotel angekommen verzog ich mich schnell im Hotelzimmer und überlegte noch, was ich mache, wenn mich wirklich eine Erkältung für ein paar Tage außer Gefecht setzen würde. Ich sah mir noch den weiteren Verlauf des Tracks an, nicht allzu weit weg gab es zwei Bett und Bike Hotels, auf der Straße dürften das vielleicht 15, maximal 20 km sein. Das sollte mein morgiges Ziel werden, Notfalls wirklich die kürzeste Route über die Straße.

72,01 km und 1352 hm

Tag 4

Die Nase lief, und mir ging es noch etwas schlechter als gestern, aber ich hatte schon Schlimmeres erlebt. Ich fuhr erstmal nach Eisfeld, einkaufen und in eine Apotheke, ohne Nasenspray kann ich bei Schnupfen nicht vernünftig schlafen. Dann ging es zurück auf den Track, aber schon 10 km auf dem Tacho und kein Stück voran gekommen.

Der Plattenweg war auch heute recht gnädig, ich fuhr ganz gemächlich, auf dem Track insgesamt nur 30 km und machte dabei zwei Pausen, das Wetter passte zum Glück. Da im ersten Hotel nichts mehr frei war, musste ich das zweite ansteuern. Gegen 16:30 Uhr war ich auf dem Zimmer, später gab es noch Abendessen und etwas Weizenbier, das konnte alles gar nicht so schlimm sein mit der Erkältung. Zurück auf meinem Zimmer erblickte ich auf dem Nachbarbalkon Radklamotten. Dazu gleich mehr.

49,16 km und 728 hm

Tag 5

Wirklich fit war ich noch nicht, aber die normalerweise tödlich endende Männererkältung hatte mich wohl nicht erwischt. Beim Frühstücksbuffet begegnete mir noch GST-Mitfahrer Norbert, nach Schätzungsweise 2 Stunden hatte ich ihn eingeholt, und wir fuhren zusammen weiter. Insgesamt lief es bei mir wieder deutlich besser, bis zum Campingplatz in Irmelshausen sollte ich es schaffen können.
Am Nachmittag gab es noch ein paar heftige Passagen, aber gegen 17:30 Uhr erreichten wir dem Campingplatz. Pünktlich zum EM-Spiel von Deutschland um 18:00 Uhr. Dank der GST hatte ich bisher kaum was von der EM mitbekommen, dass Deutschland am Abend spielte, war mir gar nicht bewusst. Also gab es als Abendprogramm Currywurst Pommes Mayo, leckeres Bio Weizen und Fussball. Irgendwann am Abend kam der Chef vom Campingplatz vorbei, als Norbert sagte, dass er kein Zelt, sondern nur einen Biwaksack dabei hat, bot er uns an, in der Umkleide-Hütte des Badesees zu übernachten, nachts kommt eh keiner zum Baden und das hätten gestern schon mal 3 Radfahrer gemacht. Die 3 Radfahrer können eigentlich nur Marco, Stefan und Thoralf gewesen sein. Wir taten es ihnen gleich, und nahmen die Hütte. Dummerweise gefiel das Norberts Isomatte/Luftmatratze gar nicht, ihr ging die Luft aus.

86,26 km und 1755 hm

Tag 6

Am morgen war es schon recht schwül, vor 9 Uhr über 20 Grad. Der Tag wurde dann auch insgesamt sehr heftig. Ein paar wirklich fiese Stücke über die Lochplatte, Gewackel pur, dazu kurze steile Anstiege und ein paar längere… Wir hatten die Rhön erreicht, mit knapp 800 m ging es heute nochmal hoch hinaus. Unterwegs hatte ich ein paar Dejavus: mitten im Wald ein Bauwagen mit Bienenstöcken, hier hatten wir schon im Vorjahr den Weg gesucht und erst nach einiger Suche durch den Wald gefunden, dieses Jahr genauso. Dann eine recht lange Abfahrt, bis es irgendwann wieder auf die total zugewachsene Lochplatte ging, und natürlich der Steinbruch. Auch dieses Jahr war dort kein Weg (wo soll er auch plötzlich hergekommen sein). Diesmal entschied ich mich dazu, das Stück nicht zu umfahren, ein Fehler. Das Stück, was man von unten sieht, ist noch am besten zu schieben. Irgendwann steht man mitten im Busch, es ist so steil, da hätte man auch auf Asphalt kein Vergnügen. Zu allem Überfluss musste man sein Rad noch um Bäume, Sträucher, usw. wuchten.

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Typischer Verlauf des Kolonnenwegs

In Dippach bogen wir vom Track ab, um ein Hotel anzusteuern. Um ein paar Ecken im Ort herum, plötzlich saß dort ein erschöpfter Fahrer neben seinem bepackten Fahrrad. Sah nach GST aus, war aber nicht am Start dabei. Jemanden mit Irokesenschnitt und langem Vollbart übersieht man nicht so einfach. „Fahrt ihr die GST?“ kommt von ihm. Er war am Sonntag (wir hatten Mittwoch) hier gestartet, hatte am heutigen Vormittag abgebrochen und ist zurück zu seinem Auto, dass da neben im stand. Er befürchtete, „wie Ötzi zu enden“, wenn er alleine weiter gefahren wäre. Zumindest Frisur- und vor allem Barttechnisch könnte da eine gewisse Ähnlichkeit bestehen.
Sein Dialekt kam mir schon so bekannt vor, dann noch das dazugehörige Auto mit LDK-Nummernschild neben ihm, er war aus Herborn, also direkt um die Ecke vom südlichen Siegerland, meiner Heimat. So klein ist die Welt. Wir fuhren weiter nach Tann in eine Bett & Bike Pension, wo wir noch 2 Zimmer bekamen.

75,65 km und 1726 hm

Tag 7

Heute kündigte der Wetterbericht eine Hitzeschlacht an, morgens um 9 Uhr schon über 26 Grad, es wurde richtig heiß. Defintiv nicht mein Wetter. Ein paar üble Anstiege, schiebend durch hohes Gras, jedes Fleckchen Schatten wurde für eine kleine Verschnaufpause genutzt. Nachmittags kamen wir durch keinen Ort, keine Einkaufs- oder Essensmöglichkeit, irgendwann fuhren wir vom Track ab in einen kleinen Ort, vielleicht 5 Häuser bzw. Höfe, um Wasser nachzufüllen. Im ersten Hof war niemand anzutreffen, nebenan war aber eben die Postbotin, dort hatte ich Glück. Eine etwas merkwürdige Frau, in, ich nenne es mal Wohlfühl-Jogginganzug, rauchend neben der Haustür, der Aschenbecher war vor lauter Kippen kaum noch zu erkennen. Ihre erste Reaktion auf meine Frage nach Wasser: „Wasser habe ich nicht, aber sie können gerne was anderes haben.“ Ich dachte, jetzt bin ich in der DDR angekommen, kein fließendes Wasser, hake aber nach, und ergänzte, dass ich Leitungswasser meine. „Ah, das geht.“ Norbert bekam seine Flaschen ebenfalls aufgefüllt, und es konnte weiter gehen.
Weit kamen wir allerdings nicht, wir machten immer wieder Pausen, deutlich über 30 Grad, das machte kaum Spaß. Gegen 17 Uhr erreichten wir Point Alpha, dort gab es kalte Getränke. Wir besprachen das weitere Vorgehen, mir war es eigentlich immer noch zu heiß, und ich musste einkaufen. Das ging nur unten im Tal, und dann bei der Hitze wieder den Berg hoch? Wir beschlossen in Geisa eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Glück hatten wir allerdings keins, wir fuhren nach Schleid, dort hatte ich schon im letzten Jahr übernachtet.
Beim abendlichen Blick auf die Karte fiel mir die Kinnlade herunter. Der Ort bei Tann, wo wir übernachtet hatten, ist über die Straße maximal 15 km entfernt, und wir kämpften uns den ganzen Tag bei einer Affenhitze die ehemalige Grenze entlang…
(Nachtrag: gerade mal geguckt, es sind nur 11,4 km, vielleicht 30 Minuten mit dem Fahrrad…)

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Kurz vor Point Alpha

57,75 km und 1582 hm

 Tag 8

Da Monteure im Hotel übernachteten gab es schon ab 6 Uhr Frühstück, das schafften wir nicht ganz, aber um 7:45 Uhr starteten wir, bei deutlich über 20 Grad. In Geisa wurde noch kurz eingekauft, bevor es hoch zu Point Alpha ging. Ganz schön anstrengend zum Start, aber danach lief es bei mir sehr gut. Ich fuhr Norbert weg, in Vacha am Supermarkt machte ich Mittagspause, um auf ihn zu warten. Als er endlich kam, fuhr er trotz meines Winkens und Rufens einfach an mir vorbei. Ich packte zusammen und fuhr hinterher, aber er war nicht mehr zu sehen. Die Hitze wurde wieder ziemlich heftig, aber die Strecke war zumindest besser zu fahren. Langsam sah man, wie das für den Nachmittag/Abend angekündigte Unwetter von Westen heranzog, aber für uns gab es noch die volle Ladung Sonne. Am frühen Nachmittag gönnte ich mir eine etwas längere Pause, irgendwann kam tatsächlich Norbert an, den ich vor mir vermutet hatte. Er hatte in Vacha in einem Biergarten pausiert. Gegen 16 Uhr waren wir kurz vor Herleshausen, als der erste Donner zu hören war. Die letzten Meter nach Herleshausen rein stürmte es schon recht ordentlich, wir machten direkt das erste Hotel klar, und bevor es regnete waren die Fahrräder sicher und trocken verstaut. Es schüttete recht ordentlich, am Abend schien schon wieder die Sonne, als wäre nichts gewesen. Weiter nördlich hatte das Unwetter wohl heftiger zugeschlagen.

72,69 km und 1596 hm

Tag 9

Der Tag begann schwül und trocken, die ersten paar Kilometer ließen sich gut fahren, bis es irgendwann in die grüne Hölle ging. Ein recht langes Stück Lochplatte, immer wieder gut mit Grünzeug bewachsen, aber noch fahrbar, links und rechts vom Weg Büsche und Wald. Aber das schlimmste? Bremsen! (Nein, nicht die vom Fahrrad). Die Fliegen schwirrten um einen herum, saßen auf wenigen Quadratzentimetern nebeneinander auf Arm, Bein, Hand, Rücken, und bissen zu. Irgendwann schlug mir Norbert 6-7 Stück vom Rücken. Beim Fahren ging es noch halbwegs, aber beim Schieben war man die reinste Futterstelle für die Viecher. Ich versuchte, die Berge hoch zu rennen, fluchte laut und war kurz vorm durchdrehen. Bei kleinen Verschnaufpausen schlug ich aus Reflex nach jedem Grashalm, der mein Bein berührte. Der einsetzende Regen machte die Sache nicht besser. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte der Regen auf, und die Natur spuckte mich wieder aus. Der Track kreuzte eine kleine Straße, dort setzte ich mich einfach hin, Pause, alles juckte, ich war klatschnass, das schlimmste Stück, dass ich jemals gefahren bin. Bremsen waren keine mehr zu sehen. Nach ein paar Minuten kam Norbert, noch ein kleiner Snack und wir setzten unsere Fahrt fort. Wir machten einen kleinen Abstecher zum Heldrastein (der Track biegt ca. 200 m vorher ab), auch dieses Jahr kein Glück mit dem Wetter, dementsprechend schlammig wurde die Abfahrt ins Werratal. Zurück auf der Lochplatte folgte der nächste Anstieg, plötzlich kam mir eine Gruppe Segways entgegen, die Fahrer guckten vermutlich genauso dumm wie ich: „Hier, mit dem Segway/Fahrrad?“ Irgendwann wurde es mir zu steil und ich schob, ein paar hundert Meter später merkte ich, dass mein Hinterreifen Luft verliert. Oben angekommen also ein kleiner Boxenstopp.

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Von diesen Hindernissen sollte es in den folgenden tagen noch einige geben

Den Rest des Tages liess es sich recht angenehm fahren, nicht mehr viel Lochplatte, ein kräftiger Regenschauer brachte eine angenehme Abkühlung, die Sonne hatte es zwischendurch gut aufgeheizt. Wir rollten am frühen Abend in Sickenberg ein, als es wieder richtig anfing zu Schütten und retteten uns in ein Bushäuschen. Norbert fragte im Hof Sickenberg ob noch ein Zimmer frei war, aber wie ich erwartet hatte, waren heute, am Samstag alle 4 Zimmer belegt. Die Besitzerin wollte uns aber nicht im Regen stehen lassen, wir konnten auf dem Heuboden übernachten, zum Waschen/Duschen den Gartenschlauch (bis wir soweit waren, war der Regen weg) und die Toilette benutzen. Brotzeit und Weizen zum Abendessen, und Frühstück am nächsten Morgen gab es auch.

70,8 km und 2078 hm

Tag 10

Die Nacht im Heu war erstaunlich gut, der Tag begann mit Sonnenschein und einem leckeren Frühstück draußen auf der Terrasse. Im ersten Anstieg kamen wir an einer Hütte vorbei und trafen endlich nochmal einen weiteren GST Fahrer, der dort übernachtet hatte. Wir redeten noch etwas, bevor wir weiter fuhren. Kurze Zeit später folgte der härteste Abschnitt des Tages, ein langer steiler Anstieg, zwar keine Lochplatte, aber aufgrund des Regens total schlammig, und na klar, es war schieben angesagt. Ansonsten lief es recht gut, ab und zu ging es durch die Pampa, es gab aber auch viele gute Wege. Auf den ersten 30 km kamen fast 1000 hm zusammen, nachmittags war sogar schon der Brocken zu sehen. Nach einer gemütlichen Pause fuhr Norbert wieder zu mir auf, die letzten Kilometer ging es zusammen bis Fuhrbach, wo wir im Hotel übernachteten.

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Der Brocken in sichtweite

74,98 km und 2053 hm

Tag 11

Morgens starteten wir recht früh, mit der Hoffnung am Nachmittag/frühen Abend noch den Brocken überqueren zu können. Bis auf wenige Ausnahmen lief alles sehr gut, es gab ein paar nicht ganz so schöne Abschnitte Lochplatte, an einer Stelle fehlte die Brücke über einen Bach. Mein Tretlager gab mittlerweile ziemlich komische Knarzgeräusche von sich, bis auf das Geräusch passte aber alles, es wackelte nichts, und die Kurbel drehte leichtgängig wie sonst auch. In Hohegeiss machten wir Mittagspause am Grenzimbiss, gegen 16:30 Uhr gingen wir in den Anstieg zum Wurmberg. Gegen 18:45 Uhr kamen wir oben auf dem Brocken an. Es war fast nichts mehr los, vielleicht noch eine handvoll andere Leute, wir konnten ungestört Gipfelfotos machen. Da ein recht kühler Wind wehte und es schon recht spät war, vertrödelten wir nicht allzuviel Zeit und nahmen die Abfahrt in Angriff. An der Eckertalsperre wurde es nochmal recht holprig (Wurzeltrail), die Abfahrt im Eckertal umso schöner.

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Norbert machte telefonisch recht spät ein Hotel in Bad Harzburg klar, wir hatten uns eigentlich schon getrennt, da er ein Hotel suchen und ich zelten wollte, kurze Zeit später war er plötzlich wieder hinter mir. Ich konnte dem Gedanken auf Dusche, Bett und Frühstück nicht widerstehen und kam mit. Das Stück Straße bis Bad Harzburg zog sich noch ganz ordentlich. Gegen 22 Uhr kamen wir an, und konnten bei 2 Bier noch ein wenig Fussball gucken.

116,45 km und 2559 hm

Tag 12

Nun begann der ungemütliche Teil, nur wenige Kilometer weiter hatte ich es im letzten Jahr geschafft, bis ich gernervt, mit dem Wissen, dass die Zeit nicht reicht um die Ostsee zu erreichen, aufgab. Die Zeit sollte diesmal kein Problem werden. Die Strecke schon, ich bleibe auch jetzt dabei, im flachen ist die Lochplatte genauso unangenehm zu fahren, wie im Mittelgebirge. Es gibt zwar keine steile Rampen mehr, aber es kostet ordentlich Kraft auf ein, für ein flaches Stück, annehmliches Tempo zu kommen. Abschnitte in denen man Rollen lassen kann gibt es kaum, mich nervt das total, das ist einfach nicht mein Ding. Norbert fuhr mir dementsprechend davon, sonst hatte ich ihn immer stehen lassen. Highlight des Tages: Die Gedenkstätte Marienborn, inklusive auf dem Rastplatz Geisterfahrer spielen. Irgendwann traf ich wieder auf Norbert, in einem Nachbarort von Oebisfelde bekamen wir noch ein Hotelzimmer.

131,9 km und 893 hm

Tag 13

Anfangs war es noch ganz ok zu fahren, ein paar umgestürzte Bäume, an einer Stelle war an ein weiterkommen nicht wirklich zu denken: Rechts vom Weg eine Art Kanal, der vermutlich die Felder bewässert, von links waren auf einem über 100 m langen Stück reihenweise die Bäume auf den Weg gekippt, als wir umdrehten und uns einen anderen Weg suchten, kamen uns ein paar Pickups entgegen, scheinbar die Aufräumkolonne. Irgendwann wurde es richtig ungemütlich, sandiger Boden, Wurzeln, Pfützen und flach, richtig ätzend. Ich verstehe langsam, warum so viele Menschen im flachen mit E-Bikes unterwegs sind. Es macht sonst einfach keinen Spaß.
Wir fuhren bis Arendsee, wo wir in einem Hotel in einem schönen, alten Fachwerkhaus übernachteten.

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Da hatte der Sturm ordentlich zugeschlagen

131,89 km und 569 hm

Tag 14

Der Tag begann wieder mit viel flacher Langeweile. Norbert fuhr wieder weg, es ging am Atommüll Endlager Zwischenlager Gorleben vorbei. Ab Hitzacker waren wir wieder zusammen unterwegs. Nun folgte das wahrscheinlich schönste Stück nördlich des Brockens, es ging etwas weg von der Elbe, etwas Wald, ein paar Hügel und nette Wege inklusive ein paar einfacher Trails. So viel Spaß hatte ich gefühlte Ewigkeiten nicht mehr. Bei Bleckede ging es mit der Fähre über die Elbe. Bis Boitzenburg verlief der Track stur den Elberadweg entlang, ein echtes Highlight. Links der Deich, rechts langweiliges Landesinnere. Wer zum Teufel baut Flussradwege, bei denen man nicht mal einen Fluss sieht? Und wer zum Teufel fährt sowas längere Stücke? Wir übernachteten in Lauenburg in einem Hotel das noch komplett renoviert wurde, und eine Baustelle war. Dafür gab’s immerhin Elbblick.

128,18 km und 810 hm

Tag 15

Norbert hatte sich für heute einiges vorgenommen, er wollte nicht nur Priwall erreichen, sondern noch weiter bzw. zurück nach Lübeck in die Jugendherberge. Entsprechend fuhr er mir nach unserem Frühstück auf und davon und war nicht mehr gesehen. Zu Beginn gab es ein unschönes Stück, fast schulterhohes Gras und Brennesseln, danach war fast alles gut fahrbar. Viele schöne Radwege der Kategorie Waldautobahn, auch wenn es nicht mehr so viel Wald hatte. Es ging am Schaal-, Küchen- und Ratzeburgersee, teilweise auf sehr netten Wegen entlang, zwischendurch etwas Regen, die Kilometer zum Ziel wurden immer weniger. Kurz vor Schluss wurde es sogar nochmal hügelig, man glaubte kaum, dass man kurz vor der Ostsee war. Richtig schön durchs Grünzeug ging es auf den letzten Kilometern natürlich auch noch, wie es sich für die Grenzsteintrophy gehört, möchte man sagen. Es gab nochmal einen ordentlichen Regenguss, als ich gegen 19:45 Uhr am FKK Strand in Priwall ankam war es wieder trocken. Die letzten Meter am Strand zog mein Rad den Sand förmlich an wie ein Magnet. Was für eine Sauerei. Aber egal, ich genoß den Augenblick und gönnte mir das beim letzten Einkauf mitgenommene Bier. Ich schrieb Stefan eine SMS und fragte, ob er einen Tipp für eine Übernachtung hat. Bei gutem Wetter hätte man sich ja ein Plätzchen in den Dünen suchen können, aber es war weiterer Regen angekündigt. Stefan empfahl den Campingplatz in Ivendorf, dort angekommen wurde vor Einbruch der Dunkelheit schnell das Zelt aufgebaut. Danach gab’s noch etwas Bier und die letzten 30 Minuten vom EM-Spiel Wales gegen Belgien.

146,6 km und 1000 hm

Mehr Fotos gibt’s bei Flickr.

7 Gedanken zu “Grenzsteintropy 2016

  1. Klaus Meyer schreibt:

    Hallo Tim,

    sehr schöner Bericht, den du da geschrieben hast. Ich habe die GST2016 bereits am 2.Tag abgebrochen. Mir war das Gehoppel über die Lochplatten zuviel. Übrigens, ich bin die 1 1/2 Tage zusammen mit Norbert gefahren.
    Ich habe die Tour dann im August mit einem Fat-Bike gemacht und bin nach 19 Fahrtagen am Priwall angekommen. Da mir meine Kamera gleich zu Anfang kaputtging, konnte ich keine Bilder machen. So habe ich mich über deine Fotos natürlich sehr gefreut.
    Nächstes Jahr bin ich nicht dabei, ich habe mich für die Trans-Germany am 2.Juli 2017 angemeldet.

    Viele Grüße, Klaus

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    • Hallo Klaus,

      Norbert hatte erzählt, dass sein „Mitfahrer“ früh ausgestiegen ist. Schön zu hören, dass du es dann später noch zu Ende gebracht hast.
      Nächstes Jahr werde ich vermutlich auch etwas anderes machen, die Trans Germany ist da auch in der engeren Auswahl. Ich habe mich noch nicht entschieden, aber vielleicht sieht man sich dann beim Start in Basel.

      Gruß
      Tim

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  2. Thoralf Strauß schreibt:

    Hallo Tim Schöner Bericht,war eine nette Zeit mit Dir und den anderen 2,leider hat Marco uns dann einen Tag später verlassen müssen.Da sein Fussgelenk die Schieberei nicht vertragen hatte.So kurbelte ich mit Stefan den Rest der Strecke….ich stelle mal ein paar bilder bei Gunnar online, ein paar hab ich bei dir kopiert da ich meine Kamera irgendwo zwischen Hörschel und Point Alpha verloren hatte.Ich hoffe du hast nichts dagegen…und vielleicht im nächsten Jahr bei der Bikepacking Trans Germany Tour..die steht auf meiner 2017 Liste Gruss Thoralf

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  3. Norbert Spangenberg schreibt:

    Hallo Tim,

    ein schöner Bericht den Du verfasst hast.
    Ich denke sehr oft an die GST und die Menschen die ich kennengelernt habe zurück.
    Eventuell sehen wir uns ja im nächsten Jahr, würde gerne wieder etwas längeres fahren.

    Gruß aus dem Sauerland
    Norbert

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  4. Carsten schreibt:

    Moin Tim,

    klasse Bericht und tolle Fotos!!! Der Ihr-müsst-mir-gar-nichts-über-eure-Tour-erzählen-ich-weiß-alles-Eben-war-schon-mal-einer-von-euch-da-Typ im „Forsthaus“ in Judenbach war übrigens ich. Ich hatte Glück und konnte dort abwettern, bis der Regen sich verzogen hatte. Ich musste am 4. Tag wegen extrem tränender Augen in Bad Königshofen eine Zwangspause einlegen. Am 5. Tag wart ihr offenbar dicht hinter mir. Am Abend des 6. Tages habe ich in Schleid in der „Pferdetränke“ übernachtet, war also Luftlinie nur 11,4 km von euch entfernt 😉 Insgesamt bin ich in 8 Tagen bis Sickenberg gekommen, hab in Bad Sooden-Allendorf übernachtet und bin am Tag darauf mit der Bahn nach Hause gefahren, weil ich es bis zum Urlaubsende nicht mehr bis zum Priwall geschafft hätte. Vor 5 Jahren bin ich – von Norden gestartet – auch bis dort gekommen, so dass ich jetzt die ganze Strecke kenne. Aus meiner Sicht das abgefahrenste Abenteuer, auf das man sich einlassen kann. In der Rhön habe ich an den steilen Rampen öfter ans Aufgeben gedacht. Nur die Spuren der Vorausfahrenden haben mich zum Durchhalten motiviert. Mit einem Fatbike ist es auf der Platte wahrscheinlich angenehmer. Das Gerüttel fand ich auch total zermürbend. Aber das wusste man ja vorher 😉

    Und ja, die Bremsen waren in diesem Jahr echt fies… mein Hintern sah abends aus wie ein Streuselkuchen.

    Viele Grüße und vielleicht sieht man ich bei einem ähnlichen Event ja mal wieder,

    Carsten

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